Aufgepasst: Adjektive
Der heutige Textertipp richtet sich an alle Schreibenden, ganz gleich ob Sie literarische oder Werbetexte verfassen, bloggen oder auch im Businessbereich mal einen Text mit Storytelling aufpeppen. Hierbei spielen Adjektive eine wichtige und meist unterschätzte Rolle.
Das treffende Adjektiv
In der Schule haben wir gelernt, dass Adjektive eine Geschichte lebendig und spannend machen. Vor allem, wenn sie treffend sind, also statt z. B. einfach etwas als „schön“ zu bezeichnen, können Begriffe wie „anmutig, graziös, nobel, strahlend“ usw. einen genaueren Eindruck vermitteln. Wer sich mit dem Finden von alternativen Begriffen schwertut, dem empfehle ich online Synonyme zu suchen.
Das emotionale Adjektiv
Werbetexter und Motivationstrainer wissen, dass sie durch gezielte Wortwahl ihre Kunden, Leser und Zuhörer begeistern können. Sie wählen bevorzugt Adjektive, die eine innere Stimmung erzeugen, also besonders emotional sind. Hier eine kleine Auswahl, die gemäß der Intention dieser Menschen positive Emotionen weckt: atemberaubend, begehrenswert, geschmackvoll, leidenschaftlich, spürbar, wild, vital usw.
Das bildhafte Adjektiv
Literarisch Tätige wissen aber genauso wie Werbetexter um die Wirkung von Bildern, die mit Sprache erzeugt werden. Und dafür sind nicht nur Metaphern zuständig, sondern auch Adjektive. Anfänger machen oft den Fehler, dass sie abstrakte Adjektive gebrauchen, z. B. „Während der Arzt noch in den Akten las, begann Michael nervös zu sprechen.“ Was soll denn daran falsch sein, fragen Sie sich vielleicht. „Falsch“ gibt es natürlich in diesem Zusammenhang nicht. Aber Sie werden gleich sehen, wie dieser emotionale Zustand noch besser in Szene gesetzt werden kann: „Während der Arzt noch in den Akten las, begann Michael mit zittriger Stimme zu sprechen.“
Das verschwundene Adjektiv
Der Königsweg, um das Kino im Kopf zu erzeugen, ist aber das Verwenden von Verben, die Adjektive ersetzen. Das geht natürlich nur, wenn der Satz neu konstruiert wird. Verben sind dynamischer, machen Aktionen sichtbar: Statt „Während der Arzt noch in den Akten las, wurde Michael zunehmend nervöser.“, heißt es dann „Während der Arzt noch in den Akten las, umklammerten Michaels Hände die Armlehnen immer fester.“ Wir sehen jetzt nicht nur den Mann und seine Art zu reagieren förmlich vor unserem inneren Auge, sondern schaffen etwas, das viel zu selten bewusst gemacht wird: Wir aktivieren den Leser. Wie das?
Das interpretierende Adjektiv
In dem gewählten Beispiel überlassen wir es dem Leser, das Klammern der Hände als nervösen Zustand zu interpretieren. Es wird also eine Leistung vom Leser verlangt, die ihn viel stärker als alles andere in das Geschehen zieht und teilhaben lässt. Er muss mitdenken, kann miterleben und bekommt dafür ein Aha-Erlebnis, eine Erkenntnis. Unerfahrene Schreiber meinen oft fälschlicherweise, ihren Lesern das Interpretieren abnehmen zu müssen, aus Angst, falsch verstanden zu werden und enthalten so ihren Lesern das zutiefst befriedigende Erlebnis der eigenen Schlussfolgerung vor. Deshalb sollte der Verfasser eines Textes sich immer fragen: Ist das ein abstraktes Adjektiv? Dann liegt der Verdacht nahe, dass es eine Interpretation der beschriebenen Szene vorgibt. Die folgenden Beispiele zeigen, dass die bildhafte, nicht-interpretierende Art zu schreiben oft mehr Raum einnimmt. Aber es lohnt sich.
Abstrakt interpretierend | Konkret bildhaft |
Verstohlen beobachtete Sandra den Mann, der ihr am Tisch gegenüber saß. | Aus den Augenwinkeln verfolgte Sandra jede Bewegung des Mannes, der ihr am Tisch gegenüber saß. |
Als der Schaffner sie wiederholt aufforderte, ihr Ticket zu zeigen, wurde Nicky aggressiv. | Als der Schaffner sie wiederholt aufforderte, ihr Ticket zu zeigen, tippte sich Nicky an die Stirn, blickte dabei fest in seine Augen und ließ das Kaugummi aus ihrem Mund platzen |